Es ist Neujahr…wir (der Herr vom Kiefernweg und ich) betreten zusammen die ehemalige Lagerstraße des Konzentrationslagers Schwesing bei Husum in Nordfriesland. Sofort spürt man eine seltsame Stimmung.
Schwesing ist eines von 87 Außenkommandos des 1938 gegründeten Konzentrationslagers Neuengamme. Es bestand nur drei Monate lang. Am 26. September 1944 trafen 1500 Häftlinge aus Neuengamme ein, am 19. Oktober folgten weitere 1000 Gefangene.
Die Häftlinge kamen aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritanien, Italien, Jugoslawien, Niederlande, Polen, der Sowjetunion, aus Spanien, der Tschechoslowakei und Ungarn.
Schwesing war kein Vernichtungslager wie Auschwitz, Dachau oder Maidanek. Es war ein politisches Lager. Für die Gefangenen waren es wohl die 3 schrecklichsten Monate ihres Lebens, die sie nie wieder vergessen sollten.
Der Herr vom Kiefernweg und ich laufen den Lagerweg bis zu den Überresten der ehemaligen Küchenbaracke.
Wieder auf dem Lagerweg nähern wir uns den Toilettenbaracken bzw. dem, was noch davon übrig ist.
Bei den Bäumen hinter den Toilettenbaracken sieht man die ersten Stahlstelen stehen. Die Stimmung und das Wetter sind inwischen sehr düster, fast schon beklemmend.
Die Stelen symbolisieren gebückt stehende Menschen in demütiger Haltung und erinnern in ihrer verstreuten Verteilung an die Zufälligkeit des Tötens in diesem Konzentrationslager.
Und spätestens hier ist mir jetzt wirklich nach weinen. Was müssen diese Menschen in diesem Lager wohl alles ertragen haben?
Ein Stückchen weiter kommt es dann aber noch schlimmer…dort steht der Wasserhydrant.
Auf dem Hydranten mussten die Gefangenen zur Bestrafung einen ganzen Tag lang mit ausgestreckten Armen und Beinen sitzen. Entweder steckte man ihnen eine Karotte in den Mund oder sie mussten krähen wie ein Hahn. Verloren sie das Gleichgewicht und fielen runter, wurden sie von den Schergen schwer misshandelt. Das überlebte fast keiner.
Wir laufen weiter und nähern uns dem Gedächtnisplatz und einem Backsteinbau.
Wir sind jetzt beim Mahnmal angekommen. Wer es betritt, wird auf die Enge des Raumes reagieren, der nur den freien Blick nach oben erlaubt. Ich habe es betreten…
Und genau das was ihr jetzt auf dem letzten Bild seht, beschreibt die Gefühle am besten, die man in der Enge des Raumes hat. Man fühlt sich schwer…einsam…verloren…Tod.
Über 300 Menschen ( die genaue Anzahl kann man bis dato nicht sagen) starben in dem Lager.
297 Menschen…297 Menschen mit Namen…297 völlig unnötig ermordete Menschen!
Und was passierte mit den Überlebenden?
Diese waren für immer gezeichnet. Die psychischen und physischen Spätfolgen prägten ihr Leben nach der Befreiung. Ansonsten herrschte fast vierzig Jahre lang Schweigen über das Lager.
Ein Schweigen das nun endlich gebrochen ist.
Roman Herzog in seiner Proklamation vom 3. Januar 1996:
»Die Erinnerung darf nicht enden; sie muß auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.«
In diesem Sinne…einen nachdenklichen Sonntag euch allen,
euer Frollein vom Kiefernweg ❤